Die bayerische Solaranlagenpflicht

Dr. Patrick Bühring

Am 01.01.2023 ist das „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Klimaschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften“ in Kraft getreten. § 2 dieses Gesetzes sieht eine Änderung der Bayerischen Bauordnung vor. Neu eingeführt wird Art. 44a BayBO, der eine Solaranlagenerrichtungs- und Betriebspflicht vorsieht. Die Regelung wirft einige Fragen auf und dürfte auch im Vollzug die Bauaufsichtsbehörden fordern.

1.

Der Aufbau und Inhalt der Neuregelung ist wie folgt:

In Absatz 1 wird der Freistaat Bayern verpflichtet, auf in seinem Eigentum stehenden, geeigneten Dächern im angemessenen Umfang selbst oder durch Dritte Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie zu errichten und zu betreiben. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist diese Regelung der Vorbildfunktion des Freistaats Bayern geschuldet.

Nach Absatz 4 der Regelung sollen Eigentümer von Wohngebäuden, deren Antrag auf Baugenehmigung oder Genehmigungsfreistellung ab dem 01.01.2025 eingehen, sicherstellen, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom, durch solare Strahlungsenergie auf den dafür geeigneten Dächern errichtet und betrieben werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich hierbei aber um eine bloße Empfehlung. Bei Nichtbeachtung dürften daher keine Sanktionen drohen.

Die Regelung mit den meisten Auswirkungen in der Praxis ist in den Absätzen 2 und 3 enthalten. Damit wird erstmals eine Pflicht eingeführt, auf hierfür geeigneten Dachflächen Solaranlagen zur Stromerzeugung zu installieren und zu betreiben. Die Besonderheit der Vorschrift ist, dass sie sich – anders als die meisten Vorschriften in der BayBO – nicht an die Bauherren richtet, sondern an die Eigentümer von bestimmten Objekten. Betroffen von der  neuen gesetzlichen Verpflichtung sind ausschließlich Eigentümer von Nichtwohngebäuden, für welche Bauanträge/Genehmigungsfreistellungsanträge ab bestimmten Zeitpunkten gestellt werden und zwar:

  • Ab dem 01.01.2023 für Nichtwohngebäude, die ausschließlich gewerblicher oder industrieller Nutzung zu dienen bestimmt sind und  
  • ab dem 01.07.2023 für sonstige Nichtwohngebäude und
  • ab dem 01.01.2025 bei vollständiger Erneuerung der Dachhaut eines Nichtwohngebäudes.

Die von dieser Solanalagenerrichtungs- und Betriebspflicht betroffenen Eigentümer haben sicherzustellen, dass auf den hierfür geeigneten Dachflächen „in angemessener Auslegung“ Solaranlagen errichtet und betrieben werden. Was darunter zu verstehen ist, beschreibt Art. 44a Abs. 1 S. 2 BayBO, wonach die Modulfläche mindestens einem Drittel der geeigneten Dachfläche entsprechen muss. Absatz 3 der Regelung sieht Ausnahmen von der Errichtungs- und Betriebspflicht für Solaranlagen für abschließend aufgeführte Tatbestände vor. Die Verpflichtung gilt etwa nicht für Nichtwohngebäude, die Wohngebäude dienen oder Gebäudeteile wie Garagen, Carports oder Schuppen. Auch ausgenommen sind Gebäude mit einer Dachfläche bis 50 m² oder unterirdische Gebäude, Gewächshäuser, Zelte, Traglufthallen oder vorübergehend aufgestellte oder genutzte Gebäude. Schließlich sieht Absatz 5 der neuen Regelung einen Entfall der Solaranlagenerrichtungs- und Betriebspflicht vor, wenn ihre Erfüllung anderen öffentlich-rechtlichen Pflichten (etwa aus Bebauungsplänen oder aus Ortsgestaltungssatzungen oder vielleicht auch dem Denkmalschutz) widerspricht oder im Einzelfall, wenn technische Unmöglichkeit vorliegt oder andere besondere Umstände zu einer unbilligen Härte führen würden. Ein besonderer Umstand in Form einer wirtschaftlichen Unmöglichkeit soll dann vorliegen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer nicht erwirtschaftet werden können.

2.

Die Neuregelung ist unter mehreren Gesichtspunkten interessant und wirft neue Fragen auf:

2.1. Zum einen, weil sie ausschließlich für sog. Nichtwohngebäude gilt. Was darunter zu verstehen ist, lässt der Gesetzgeber allerdings offen, da dieser Begriff weder in der bisherigen Bauordnung noch in der neuen Regelung des § 44a BayBO definiert wird. Auch die Gesetzesbegründung lässt offen, was unter einem Nichtwohngebäude zu verstehen ist. Abzuwarten bleibt daher, ob die neuen Verpflichtungen auch für Gebäude gelten, die Wohnnutzungen und Nichtwohnnutzungen aufweisen. Vieles spricht dafür, dass in diesen Fällen kein Nichtwohngebäude im Sinne des Art. 44a BayBO vorliegt, weil sich ein solches wohl dadurch auszeichnet, dass darin überhaupt keine Wohnnutzung – auch nicht eine flächenmäßig untergeordnete – existiert. Eine derartige Auslegung könnte aber Umgehungsmöglichkeiten eröffnen. Etwa, wenn zur Umgehung der Verpflichtung in Nichtwohngebäuden Betriebsleiterwohnungen oder Wohnungen für Aufsichtspersonen vorgesehen werden. Weiter ist unklar, was für Gebäude gilt, die eine wohnungsähnliche Nutzung aufweisen, also etwa Alten- und Pflegeheime und andere auf eine längere Aufenthaltsdauer ausgelegte Unterbringungsnutzungen. Stellt man auf den im Bauplanungsrecht geltenden Wohnnutzungsbegriff ab, dürften solche Nutzungen keine Wohnnutzungen darstellen, weswegen es sich bei derartigen Gebäuden um Nichtwohngebäude i.S.d. Art. 44a BayBO handeln dürfte. Es bleibt daher abzuwarten, welche Gebäude letztlich als Nichtwohngebäude angesehen werden und welche nicht.

2.2. Weiter ist interessant, dass sich die Neuregelung in erster Linie nicht an den Bauherren entsprechender Nichtwohngebäude richtet, sondern an den Eigentümer. D.h. ist der Bauherr nicht auch der Eigentümer (etwa im Falle einer entsprechend ausgestalteten zivilrechtlichen Nutzungsüberlassung) müssen künftig in den abzuschließenden Verträgen zwischen Bauherr und Eigentümer Regelungen getroffen werden, um dem Eigentümer entweder zu ermöglichen, dass er seiner Verpflichtung nach Art. 44a BayBO nachkommen kann, oder muss er diese Verpflichtungen mit befreiender Wirkung auf den Bauherren abwälzen. Die Neuregelung wird also Auswirkungen auf die zivilrechtliche Vertragsgestaltung in derartigen Fällen haben.

2.3. Ebenfalls eine Besonderheit stellt dar, dass die neu eingeführte Solaranlagenerrichtungs- und Betriebspflicht zumindest keine unmittelbare Auswirkung auf die Erlangung einer Baugenehmigung haben wird. Denn anders als etwa bei der Stellplatzverpflichtung, wird die Einhaltung der Solaranlagenerrichtungs- und Betriebspflicht – jedenfalls im vereinfachten Genehmigungsverfahren, also bei Bauvorhaben, die keinen Sonderbau darstellen – nicht standardisiert von der Baubehörde geprüft werden, da das Pflichtprüfprogramm des Art. 59 BayBO nicht entsprechend erweitert wurde. Bestehen aber Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Verpflichtungen des Art. 44a BayBO verstoßen wird, kann die Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt werden (vgl. Art. 68 Abs. 1 S. 1 HS 2 BayBO). Die Baugenehmigungsbehörden werden also künftig – wie in anderen Fällen auch (etwa der Verpflichtung zur Bereitstellung von Kinderspielplätzen oder barrierefreier Wohnungen) – prüfen, ob die gesetzlichen Verpflichtungen eingehalten sind. Enthalten die Eingabepläne dann keine Darstellungen für die Errichtung von Solaranlagen, ist es aber nicht in allen Fällen möglich, deshalb die Erteilung der Baugenehmigung zu verweigern. Denn die Errichtungspflicht gilt ja nicht für den Bauherren, sondern den Eigentümer des Gebäudes. Bei einem Auseinanderfallen dieses Status muss daher trotz fehlender Darstellung einer Anlage in den Eingabeplänen die Genehmigung dem Bauherren erteilt werden und muss die Behörde parallel dazu den Eigentümer auffordern, seiner Verpflichtung nachzukommen. Ob diese zusätzlichen präventiven Verwaltungsaufgaben von den ohnehin seit Einführung der Genehmigungsfiktion überwiegend überlasteten bayerischen Baubehörden geleistet werden können, bleibt abzuwarten.

2.4. Auch die dauerhaft zu leistende repressive Überwachung der Solaranlagenpflicht auf den davon betroffenen Dächern wird sicherlich eine große Herausforderung für die Bauaufsichtsbehörden.

3.

Für Eigentümer/Bauherren in den unterschiedlichen Bereichen bedeutet die Neuregelung Folgendes:

Eigentümer/Bauherren von neu zu errichtenden Wohnbauvorhaben sind von der Neuregelung erst ab dem Jahre 2025 betroffen. Auch dann aber nur im Sinne einer gesetzgeberischen Empfehlung, Solaranlagen zu errichten und zu betreiben.

Eigentümer/Bauherren von neu zu errichtenden landwirtschaftlichen Vorhaben dürften, da es sich dabei nicht um eine „ausschließliche gewerbliche oder industrielle Nutzung“ handelt, erst ab dem 01.07.2023 betroffen sein, sofern ab diesem Zeitpunkt Bauanträge für Nichtwohngebäude wie Ställe oder Lager- und Maschinenhallen errichtet werden. Für zuvor gestellte Bauanträge, die dann aber vollständig gestellt sein sollten, gilt die Verpflichtung nicht. Ab dem Jahre 2025 gilt die Regelung auch bei Bestands-Nichtwohngebäuden, wenn die Dachhaut vollständig erneuert wird.

Eigentümer/Bauherren von neu zu errichtenden gewerblichen oder industriellen Vorhaben sind ab sofort mit der Neuregelung konfrontiert. Diese haben die Verpflichtung daher in der Regel umzusetzen, da die Ausnahmetatbestände der Absätze 3 und 5 nur in sehr wenigen Fällen greifen dürften. Ab dem Jahre 2025 gilt die Regelung auch bei Bestands-Nichtwohngebäuden, wenn die Dachhaut vollständig erneuert wird.

Zu sämtlichen rechtlichen Fragen rund um die Solaranlagenverpflichtung stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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